Im Beitrag "Dynamik Range - das Problem der Helligkeitsunterschiede" wurde gezeigt, dass Helligkeitsunterschiede in der Natur extrem sein können.
Das menschliche Auge ist daran angepasst.
Um Fotos auf einem Monitor anzuzeigen oder auszudrucken, müssen die Aufnahmen aber auf den sehr viel kleiner darstellbaren Helligkeitsbereich komprimiert werden.
Kann man diesen Prozess der Kamera überlassen, indem man sich die Fotos im JPG Format ausgeben lässt („JPG-Shooter“)? Oder verwendet man RAW Formate oder HDR-Belichtungsreihen, um selbst in der Nachbearbeitung (Postprocessing) diese Konvertierung besser einzustellen?
Die JPG Algorithmen in den Digitalkameras werden sicher noch intelligenter, aber sie werden kaum die künstlerischen Ambitionen des Fotografen übernehmen können. Ob ein Motiv eher hart als
Silhouette gezeichnet werden soll oder detailliert mit vielen Mitteltönen kann keine Automatik entscheiden.
Bei dem ersten Beispielfoto so wie es als JPG aus der Kamera kam, ist zum Beispiel der Himmel mit den Wolken überbelichtet.
Die richtige Belichtung
Wer auf der sicheren Seite sein möchte, könnte JPG und RAW Format gleichzeitig in der Kamera abspeichern (oder sogar HDR Reihen aufnehmen). Dadurch entsteht jedoch ein erheblicher Arbeitsaufwand durch das Übertragen, Speichern und Sichten sehr großer Datenmengen. Daher sollte man zunächst überlegen, was überhaupt kritische Situationen sind, bei denen der Einsatz von RAW oder HDR lohnt.
Das Foto mit dem Rathaus ist im Frühherbst aufgenommen worden bei hellem Sonnenschein. Die Sonne steht im Rücken des Fotografen. Es werden jedoch keine Bildbereiche im Tonwert beschnitten, was
ein Blick auf das Histogramm bestätigt.
Hier sind also alle Informationen im JPG enthalten und das Foto könnte bei Bedarf im Postprocessing anderweitig bearbeitet werden.
Es besteht kein Bedarf an RAW oder HDR.
In der entgegengesetzten Richtung gegen die Sonne sieht die Situation völlig anders aus (erstes Foto). Auf dem JPG direkt aus der Kamera gibt es vor allem Beschneidungen in den Lichtern („ausgefressene“ Wolken), deutlich im Histogramm zu erkennen. Aber auch die Schatten sind sehr dunkel.
Eine erste Verbesserungsmöglichkeit, um den Himmel besser zu erfassen wäre die Belichtung um 1 – 2 EV Stufen nach unten zu korrigieren.
Das Ergebnis zeigt bereits einen verbesserten Himmel.
Weiterhin kann im Postprocessing eine Anhebung der Schatten stattfinden (nächstes Foto). Wie hier zusehen, funktioniert das bereits mit Aufnahmen im JPG Format, besser geht es aber mit RAW-Aufnahmen.
Mit der Zeit lernt man immer besser, solche Belichtungskorrekturen vorzunehmen, wie z.B.
- Aufnahmen des Himmels, Wolken, den Sonnenuntergang unterbelichten um 1 – 3 EV Stufen
- Vögel gegen den Himmel dagegen 1 – 2 EV Stufen überbelichten, um sie aufzuhellen. (Eine andere Arbeitsweise wäre die Verwendung einer bestimmten Belichtungsautomatik wie eine Spot-Belichtungsmessung, die nicht das gesamte Bild in die Berechnung mit einbezieht.)
- Generell kann man bei Kameras mit hohem Dynamikumfang (wie Vollformatkameras mit mittlerer Auflösung (10 – 40 MPix) im Freien immer 0,7 EV unterbelichten, um ein Ausfressen der Lichter zu
vermeiden.
Detailverluste in den Lichtern werden vom Betrachter weniger toleriert als Verluste in den Schatten.
Belichtungsreihe - HDR (High Dynamic Range)
Noch mehr Spielraum in der Nachbearbeitung hat man in unserem Beispiel bei der Aufnahme einer Belichtungsreiche (HDR).
Unter HDR (High Dynamic Range) versteht man die Verwendung einer Belichtungsreihe (auch bracketing bezeichnet), bei der mehrere Fotos mit unterschiedlichen Belichtungseinstellungen aufgenommen werden. Dabei wird die Blende konstant gelassen, um in allen Fotos eine identische Tiefenschärfe zu erhalten und nur die Belichtungszeit verändert.
Ein typisches Beispiel sind drei Aufnahmen mit folgenden Werten für die Belichtungsänderung: -2 EV, 0, +2 EV
Durch dieses Verfahren kann man mit JPG Aufnahmen den Dynamikbereich des JPG Bildes mit 8 Bit auf 8 + 2 + 2 = 12 Bit (4096 Helligkeiten) erhöhen, was einer typischen RAW-Aufnahme entspricht.
Der Vorteil wäre, dass man keine RAW –Entwicklung durchführen muss.
Allerdings braucht man eine HDR-Software, die die drei Fotos in der Nachbearbeitung zusammenführt (fusioniert).
Der Nachteil gegenüber einem RAW-Foto ist, dass sich die Gesamtbelichtungszeit verlängert und in der Zeit der drei Aufnahmen das Motiv nicht bewegen darf. Allerdings sind HDR Programme zunehmend in der Lage, die Bewegungsfehler (Geisterbilder) in einem gewissen Grad automatisch zu korrigieren.
Das Fusionierte Bild der Reihe -2, 0, +2 zeigt bereits im Histogramm deutlich mehr Werte in den Mitteltönen. Aber erst ein Tonmapping mit einer HDR Software bringt das Herbstlaub zum Leuchten. Die mittleren Helligkeiten sind nun deutlich dominant.
Weitere Beispiele für HDR Aufnahmen befinden sich hier im Blog: der Kühlturm, oder das Titelfoto und die Fotos von Tipp 1 (Sonnensterne, Sonnenauf- und Untergänge) in Fotografie im Winter.
Im Internet findet sich ein Vielzahl weiterer Informationen zum Thema HDR, siehe Wikipedia.
Die verschiedenen Tonmapping und Filter von Programmen, die HDR unterstützen (Fotomatix, Adobe Photoshop, Franzis HDR-Project,...) lassen sich meistens auch für ein einzelnes Foto nutzen, wobei eine Unter- und Überbelichtung synthetisch erzeugt wird. Dabei ist es wieder vorteilhaft, als Ausgangsmaterial eine RAW Datei zu verwenden.
Entscheidungshilfen
Möchte man die aufwendigere Bearbeitung von RAW oder HDR nur in sinnvollen Fällen einsetzen, können folgende Hinweise genutzt werden.
- Verwendung von RAW oder HDR von der Kamera abhängig machen:
Besonders Vollformatkameras mit mittlerer oder kleiner Auflösung zu wie Sony A7 oder Sony A7s und ihren Nachfolgemodellen haben einen sehr guten Dynamikumfang. Wenn man mit RAW Format arbeitet, braucht man praktisch fast nie HDR. Bei Gefahr, dass Spitzlichter ausfressen werden, ist die Belichtung etwas zu reduzieren um dann im Post die Schatten aufzuhellen (siehe auch Artikel über Vollformat).
Umgekehrt bietet sich bei kleineren Sensoren mit geringerem Dynamikumfang die Anwendung von HDR an. Ein Grund, warum Smartphones das Feature fast schon standardmäßig integriert haben. Dabei kann
bereits in der Kamera die Belichtungsreihe in ein einzelnes JPG Foto komprimiert und konvertiert werden.
Das erste Beispiel mit dem Oldtimer zeigt zunächst die JPG Aufnahme wie sie direkt von der Sony A7iii ohne Belichtungskorrektur geliefert wird. Nummernschilder, Scheinwerfer und Stoßstange sind zu hell und dadurch kontrast- und zeichnungsarm.
Beim zweiten Bild handelt es sich um die RAW-Entwicklung des selben Fotos mit einem RAW Konverter am PC.
Der Vorteil des RAW-Formates wird hier deutlich durch die ausgewogenen Mitteltöne in den Bereichen, wo das JPG in den Lichtern schon beschnitten war.
- Wie gut ist die JPG Engine der Kamera?
Beispielsweise liefern Olympus Kameras eine sehr gute JPG Entwicklung, neben der Tonwertkompression bestehend aus Rauschunterdrückung, Nachschärfen, Objektiv- und CA-Korrektur. Um dieses Level im Post Processing zu erreichen, ist ein entsprechender (Zeit-) Aufwand notwendig.
Daher kann auch eine 3er HDR Foto Reihe mit JPG (EV -2, 0, +2 ergibt 12 Bit) Sinn machen, obwohl eine moderne Kamera diese Information auch in einem einzigen RAW-Format-Foto enthalten hätte. Aber die JPG Fotos sind dann bereits entrauscht, geschärft usw. und müssen nur noch in einem HDR Programm überlagert werden.
Die Tonwertkompression kann in professionelleren Kameras nutzerspezifisch beeinflusst werden (z.B. Einstellung der Anhebung von Schatten oder Absenkung der Lichter). Kamerahersteller bieten
Einstellmöglichkeiten und Automatiken wie Dynamic Range Optimization (DRO) an.
Die beschriebenen Probleme mit dem Dynamikbereich treten nicht nur am Tage durch Sonnenschein auf. Ebenso kann eine Straßenlaterne in dunkler Nacht eine Herausforderung sein. Die hier beschriebenen Techniken helfen also auch in der Low Light Fotografie.
Gerade in der Dunkelheit ist es oft schwer, an Hand des Kameradisplays die Belichtung richtig einzuschätzen. Dann kann eine HDR Belichtungsreihe helfen, da man später in der Nachbearbeitung das beste Foto heraussuchen kann oder auch eine HDR Fusion erzeugt, wie das Foto von der Havel zeigt.
Bei der Auswahl der Aufnahmemethode können weitere Überlegungen hilfreich sein:
Die Verwendung von RAW oder HDR von der Jahreszeit und Situation abhängig machen
- Im Winterhalbjahr reicht der Dynamikumfang von JPG selbst bei Schnee und Sonne aus,
- RAW oder HDR sind nur in seltenen Situationen nützlich, z.B. Aufnahmen direkt gegen die Sonne.
- Im Sommer bei Sonne von hinten: gib es Spieglungen im Motiv (Fenster, Metall) ist RAW oder HDR angebracht (siehe Oldtimer).
- Situationen, bei denen man um RAW oder sogar HDR nicht herumkommt:
Ein dunkler Raum und die Sonne scheint durch das Fenster, z.B. ein Kirchenschiff;
es soll sowohl der Innenraum als auch die Szene hinter dem Fenster (im Außenbereich) erkennbar sein.
Vermeidung von HDR-Situationen:
- Es kann Sinn machen, durch die Auswahl des Bildausschnitts den Dynamikumfang bewusst zu reduzieren, in dem direkte Lichtquellen/die Sonne oder sehr schattige Bereiche aus dem Bild herausgenommen werden. Dadurch wird das Abschneiden von Bildinformation durch den begrenzten Dynamikbereich vermieden. Beispielsweise kann man sich fragen, ob ein Sonnenstern für das beabsichtigte Foto überhaupt nützlich ist.
Der Dynamikbereich den die Kamera auflöst sinkt im RAW Format mit zunehmenden ISO Werten
- D.h. ab ca. ISO 4000 machen RAW Aufnahmen kaum noch Sinn. Im Gegenteil, bei hohen ISO Werten kann die intelligente Rauschunterdrückung der Kamera für die JPG Konvertierung ausgenutzt werden.
- Im JPG Format ist kaum ein Einfluss des ISO Wertes auf den Dynamikbereich erkennbar, da die Bilder ja ohnehin schon tonwertkomprimiert sind.
Zusammenfassung
- Wenn in einer aufzunehmenden Szene extreme Helligkeitsunterschiede herrschen, ist die Verwendung von RAW-Format oder HDR–Reihen sinnvoll.
- Fotografen, die hauptsächlich mit JPG arbeiten, werden öfter zu HDR Reihen greifen. Dagegen ist bei der Kombination aus RAW Format und Kameras mit großem Dynamikbereich die HDR Aufnahmereihe nur in sehr seltenen Fällen notwendig.
- Durch Erfahrung bei der richtigen Belichtung (z.B. durch Korrektur der Automatik der Kamera) und immer besseren Kamerasensoren verliert die HDR Technik allein für die Erzeugung eines realistischen Fotos zunehmend an Bedeutung. Sie wird jedoch genutzt, um spezielle Effekte und Looks in der Nachbearbeitung zu ermöglichen.
Fotos und Text: Wolfgang Hahn
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